Fastenzeit noch zeitgemäß?

Stand: 02/29/2012
Am Aschermittwoch ist alles vorbei? Nein, denn jetzt beginnt die Fastenzeit! Im Christentum bedeutet dies 40 Tage Verzicht zum Andenken daran, dass Jesus 40 Tage lang in der Wüste gefastet hat. Die Fastenzeit dient den Christen auch als Vorbereitung auf Ostern und soll eine Phase der Erneuerung sein. Genaue Vorschriften für das Fasten gibt es nicht. Nur am Aschermittwoch und am Karfreitag dürfen Katholiken kein Fleisch verzehren. Viele gläubige Christen, aber auch zunehmend Nichtgläubige nehmen diese Wochen jedoch zum Anlass, sich auf die Probe zu stellen und verzichten bewusst z. B. auf Süßigkeiten, Alkohol oder Zigaretten.
Auch in anderen Kulturen wird regelmäßig gefastet. Der Fastenmonat Ramadan ist der neunte Monat im islamischen Mondkalender. Hier darf tagsüber weder gegessen noch getrunken werden. Ein mehrgängiges Essen findet nach Sonnenuntergang statt.
Im Buddhismus gibt es zwar keine Fastenanleitung für spezielle Zeiträume, aber das Prinzip der religiösen Lehre ist es, sich allgemein zu mäßigen. Fleisch wird von Buddhisten eher abgelehnt.
Ob aus religiösen Gründen oder nicht, das Fasten gilt mittlerweile auch als Ausdruck von „Lifestyle“. Gründe sind oft der Wunsch abzunehmen oder sich im Sinne des Heilfastens zu reinigen und von „Schlacken“ zu befreien.


Das klassische Heilfasten

In der Naturheilkunde werden Heilfastenkuren zur Vorbeugung und Behandlung von ernährungsmitbedingten Stoffwechselerkrankungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates durchgeführt. Gesunden wird es zur so genannten Entschlackung und zur Stärkung des Immunsystems empfohlen. Die Gewichtsreduktion steht nicht im Vordergrund, sie ist jedoch oft ein erwünschter Nebeneffekt. Heilfasten ist keine Nulldiät.

Das Heilfasten wird oft in spezialisierten Fastenkliniken unter ärztlicher Kontrolle durchgeführt. Der Ansatz für solche Fastenkuren ist ein ganzheitlicher, neben dem Fasten spielen physiotherapeutische und psychotherapeutische Maßnahmen eine wichtige Rolle.
Viele Menschen berichten von gesteigertem Wohlbefinden und von erhöhter Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit in der Zeit des Heilfastens.
Heilfasten birgt aber auch Gefahren, vor denen Mediziner warnen. Wenn der Darm ruht, fließt kein Gallensaft. Die hoch konzentrierte Galle kann dann auskristallisieren und einen Ansatzpunkt für Gallensteine bilden. Neben Fett wird auch Muskeleiweiß abgebaut. Dies kann bei entsprechender Veranlagung zu Gichtanfällen führen. Durch die Umstellungen im Stoffwechsel kommt es auch zu anderen unerwünschten Nebenwirkungen wie Azidose (Übersäuerung), Hypotonie (niedriger Blutdruck), Müdigkeit und Schwindel, die sich jedoch oft im Verlauf des Fastens normalisieren.


Fastenmethoden

Stellvertretend sollen an dieser Stelle drei bekannte Methoden des Heilfastens skizziert werden.

Heilfasten nach Buchinger
Diese Form des Heilfastens ist nach dem deutschen Arzt Dr. Otto Buchinger benannt. Das drei- bis vierwöchige Fastenprogramm startet mit einem oder mehreren Entlastungstagen wie Obsttage, Hafer- oder Reistage mit etwa 600 kcal täglich zur Vorbereitung auf das Fasten. Zu Beginn des eigentlichen Fastens und dann alle zwei Tage wird der Darm mit Glaubersalz entleert. Während des gesamten Fastens ist ausreichendes Trinken wichtig. Dazu empfiehlt Buchinger morgens und nachmittags ¼ Liter Tee, mittags ¼ Liter Brühe und abends ¼ Liter Fruchtsaft. Über den Tag verteilt sollen außerdem zwei Liter Mineralwasser getrunken werden. Das Fastenbrechen beginnt mit einem Apfel mittags und einer salzfreien Gemüse-Kartoffel-Suppe am Abend. Die Kalorienzufuhr wird über die nächsten drei Tage langsam gesteigert, um den Körper wieder an die Nahrungsaufnahme zu gewöhnen. Die Zeit des Fastenbrechens ist für Buchinger auch der Einstieg in eine vollwertige Ernährung, begleitet durch Kochkurse, Ernährungsberatung, Sportangebote und Verhaltenstherapie.

F.X.-Mayr-Kur
Diese Form des Heilfastens geht auf den österreichischen Arzt Franz Xaver Mayr zurück. Im Mittelpunkt der F.X.-Mayr-Kur stehen die so genannte Darmreinigung und Darmsanierung. Mayr begründete seine Kur mit einer ursächlichen Beziehung zwischen der Gesunderhaltung des Darms und einem gesunden Körper. Mayr entwickelte einen Dreistufenplan zur Darmsanierung basierend auf den drei Säulen:
  • Schonung
  • Säuberung und Regernation des Darms sowie
  • Schulung von Essverhalten und Trinkgewohnheiten.
Am Beginn der Kur stehen ein Tee-Wasser-Fasten und eine Darmreinigung durch Glaubersalz und Einläufe. Erlaubt ist auch Gemüsebrühe. Während der zweiten Phase der Kur wird morgens ein altbackenes Brötchen sehr intensiv gekaut (40mal pro Bissen) und mit etwas Milch hinunter geschluckt. Diese Milch-Semmel-Diät dient als Kautraining und zur Gewöhnung an einfache Kost. In der letzten Phase der Mayr-Kur gibt es eine basische leichte Kost mit viel Gemüse, Obst, frischen Kräutern, wenig Fett, wenig Salz und wenig Fleisch. Diese so genannte „milde Ableitung“ kann praktisch lebenslang verzehrt werden. Spezielle Formen einer Bauchmassage, Leberwickel u. ä. unterstützen das Heilfasten nach F.X. Mayr.

Schroth-Kur
Die Schroth-Kur geht auf den Fuhrmann Johann Schroth zurück. Sie dauert zwei bis drei Wochen und will über eine Entgiftung („Entschlackung“) die Selbstheilungskräfte des Körpers fördern. Die Kernelemente der klassischen Form sind:
  • Reis-, Grieß- oder Haferbrei, etwas gekochtes Gemüse und gekochtes Obst sowie trockene Brötchen.
  • Trockentage mit weniger als einem halben Liter Flüssigkeit (ursprünglich: weißer Landwein) im Wechsel mit "kleinen" (ein Liter Flüssigkeit) bzw. "großen" Trinktagen (zwei Liter Flüssigkeit).
  • Dunstwickel, bei denen der ganze Körper über Nacht in feuchte Tücher gepackt wird, um die „Entschlackung“ des Körpers zu fördern.

Heute gibt es verschiedene Abwandlungen der klassischen Form, so der Austausch von Wein gegen Frucht- und Gemüsesäfte oder die Umstellung der Kurkost auf eine kalorienreduzierte Mischkost.


Ein Fazit aus ernährungswissenschaftlicher Sicht

Positive Wirkungen des Heilfastens können oft wissenschaftlich nicht belegt werden. Auch die Notwendigkeit einer „Entschlackung“ in dem Sinne gibt es nicht. Nicht verwertbare Stoffe scheidet der Körper bei ausreichender Flüssigkeitszufuhr über Nieren und Darm aus.
Eine Gesundheitsuntersuchung vor Beginn des Fastens ist empfehlenswert. Mehrwöchige Fastenkuren sollten unter ärztlicher Aufsicht und möglichst stationär durchgeführt werden, um potentiellen Nebenwirkungen direkt entgegen wirken zu können.
Schwangeren und Stillenden ist vom Heilfasten abzuraten. Auch bei Anorexia nervosa (Magersucht) ist Heilfasten kontraindiziert. Ebenso sollten Menschen mit erhöhtem Harnsäurespiegel wegen der Gefahr eines Gichtanfalls nicht heilfasten.


Heilfastenkuren sind kein gutes Mittel zur Gewichtsabnahme, denn extreme Fastenkuren bergen immer die Gefahr eines Jo-Jo-Effekts Sie können aber ein motivierender und nachhaltiger Einstieg in eine bewusste Ernährungsumstellung und Lebensgestaltung sein.

In diesem Sinne: Nutzen Sie die (österliche) Fastenzeit für eine langsame Umstellung hin zu einer gesunden, ausgewogenen Mischkost.


Quellen
  • Jutta von Campenhausen: Fastenkuren: Den Körper sinnvoll entlasten, im Internet unter: stern.de (Zugriff 24.02.2012)
  • Wikipedia (Hrsg.): Schrothkur, im Internet unter wikipedia.de (Zugriff 06.12.2021)
  • R. Herrmann, R. Kluthe: Buchinger, Heilfasten (August 2002), in: Ernährungsmedizin in der Praxis, Kapitel 5/3 Lexikon der Ernährungsformen, Spitta-Verlag Balingen
  • DGE (Hrsg.): Heilfasten, im Internet unter dge.de (Zugriff 06.12.2021)

Weitere Information
  • Ärztegesellschaft Heilfasten und Ernährung e.V. (Hrsg.): Leitlinien Heilfasten, im Internet unter aerztegesellschaftheilfasten.de (Zugriff 24.02.2012)


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