Zunahme von Reblausschäden an der Mosel

Matthias Porten, DLR Mosel Bernkastel-Kues
Dr. Hoffmann, BBA Bernkastel-Kues



Reblaus gestern und heute


Die Reblaus wurde Mitte des 19. Jahrhundert mit amerikanischen Wildreben nach Europa eingeschleppt. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts kam der Weinbau in Europa stellenweise fast zum Erliegen, weil die hier gepflanzten klassischen Europäerreben durch die Reblaus so stark an der Wurzel geschädigt wurden, dass in kompletten Weinbergen die Reben abstarben. Südliche Gebiete Europas und Deutschlands waren deutlich stärker betroffen als die nördlichen Anbaugebiete. An der Mosel ist vor allem die Obermosel ein traditionelles Reblausgebiet, mit einem sehr starken Auftreten der Blattreblaus an Unterlagsausschlägen. Die Schieferböden der Mittel- und Untermosel galten lange Zeit als reblausfrei.
Das Problem der Reblausschäden verschwand in den meisten traditionellen Reblausgebieten, weil hier die Winzer verpflichtet wurden, Pfropfreben mit reblausresistenten oder reblaustoleranten Unterlagsreben anzubauen. Damit verschwand die Reblaus als Problemfeld aus den Köpfen vieler Winzer, weil mit den toleranten Unterlagen das Problem als gelöst schien. An der Mosel stehen jedoch heute noch größere Bestände von wurzelecht gepflanzten Rieslingreben. In Jahrzehnte alten Rebanlagen an der Mosel, die bisher noch nie Schäden durch Rebläuse zeigten, finden sich in den letzten Jahren verstärkt Reblausherde, teilweise mit Ausfall ganzer Anlagen. Die Ursache dafür kann sowohl eine Klimaerwärmung als auch die Ausbildung neuer Reblausrassen in Drieschen und ungepflegten Brachen sein.

Zur Biologie der Reblaus


Die Reblaus lebt an wurzelechten Europäerreben fast nur unterirdisch und pflanzt sich hier ungeschlechtlich durch “Jungfernzeugung” fort. Hier bilden sich an Nebenwurzeln so genannte Nodositäten und an älteren Hauptwurzeln Tuberositäten (vgl. Abb 7a und b).

Rebwurzel
Bild 7 a: Tuberosität = Vedickung an einer älteren lignifizierten Rebwurzel verursacht durch Reblausbefall, (Reblaus lebt geschützt unter der Rebrinde) Foto: ©Matthias Porten, DLR Mosel
Reblaus unter der Rebwurzrinde
Bild 7 b: REM-Aufnahme der Tuberosität Reblaus (R) mit Reblauseiern (E) an einer aufgespleisten Rebwurzel, Deutlich erkennbar die Lebensweise der Reblaus unter der Rebwurzelrinde an älteren Wurzel
Foto: ©Matthias Porten, DLR Mosel

Durch die Einstiche der Rebläuse, die zur Bildung von Tuberositäten führt, kann es zur Infektion des Hauptwurzelstrangs mit Pilzen kommen, so dass dieser sukzessive abstirbt und es dann häufig zum kompletten Stockausfall kommt (Bsp. Kinheim Bild 6). Die Blätter der Europäersorten gelten als tolerant gegenüber Blattbefall. Auf reblaustoleranten Unterlagsreben können sowohl Wurzeln als auch Blätter besiedelt werden. Die sich in den Blattgallen entwickelnden Rebläuse sind durch sexuelle Fortpflanzung entstanden. Bei der sexuellen Fortpflanzung können neue Reblausrassen entstehen, die unter Umständen angepasster an die Lebensbedingungen sind als es ihre durch ungeschlechtliche Vermehrung entstandenen Vorfahren waren. Weinstoecke
Bild 6: Stockausfall durch Reblausbefall in Kinheim 2004
Foto: ©Matthias Porten, DLR Mosel
Um die Ausbildung neuer Reblausrassen zu verhindern, muss darauf geachtet werden, dass Wurzelschösslinge von Unterlagsreben systematisch entfernt werden. Diese finden sich vor allem in Drieschen und Brachen, die keine Mindestpflege erfahren.



Drieschen und Brachen


Inzwischen konnten an der Obermosel (Perl) und an der Mittelmosel (Ensch) in Drieschen Blattreblausgallen festgestellt werden. Es muss also mit der Bildung neuer Reblausrassen gerechnet werden. Das durch Strukturwandel stark veränderte Weinbaugefüge an der Mosel wird durch die Kombination von Drieschen, ungepflegten Brachen mit verwilderten Unterlagsreben und dem Anbau wurzelechter Reben immer mehr zu einem unberechenbarem Pulverfass. Während ein Winzer, der wurzelechten Riesling pflanzt vor allem ein hohes wirtschaftliches Risiko eingeht, gefährdet ein Drieschenbesitzer oder der Besitzer einer Brache mit verwilderten Unterlagen die gesamte Winzerschaft.



Aktuelle Lage


Der sehr trockene Sommer 2003 hat die Reben unter besonderen Stress versetzt, so dass man in einigen Weinbergen starke Wuchsdepressionen (Blattaufhellung, kürzere Triebe, schlechten Wuchs) im Jahr 2004 festgestellt hat. In einzelnen jüngeren Anlagen konnte dies auf Wasserstress im Vorjahr bei zu hohen Erträgen zurückgeführt werden. Ebenso kam es im Jahr 2004 häufiger zu Schäden durch Kräuselmilben, die auf das Temperatur bedingt stagnierende Wachstum der Reben nach dem Austrieb zurückzuführen sind. In weiteren Anlagen zeigten sich jedoch herdförmig auftretende Wuchsdepressionen bis hin zum Absterben einzelner Stöcke.
Zunächst dachten sehr viele Winzer, dass sich diese Rückgangserscheinungen auf Bodenstörungen, aufgrund mangelnder Humusversorgung, oder anderen Stressfaktoren (frühere Wege, Schiebungen in der Flurbereinigung, Kuppen, hoher Steinanteil usw.) zurückführen lassen. Doch nach eingehender Untersuchung wurde festgestellt, dass diese herdförmigen Rückgangserscheinungen - siehe Bild 1 – ihre Ursache häufig in Reblausbefall haben.


Rebstockzeile
Bild 1: herdförmigen Rückgangserscheinungen verursacht durch Reblausbefall
Foto: ©Matthias Porten, DLR Mosel


Rebstockzeile
Bild 2: Rückgangserscheinung durch Reblausbefall in Kinheim, 2004
Foto: ©Matthias Porten, DLR Mosel
So zeigte sich in einigen Gemeinden an der Mittelmosel, zum Beispiel in Kinheim (Bild2), Kröv (Bild3), Maring-Noviand, Wolf, Bernkastel-Kues, Piesport, Mehring, Longen (Bild4), Thörnich, erheblicher Reblausbefall an Rebwurzeln.


Rebstoecke
Bild 3: Rückgangserscheinung durch Reblausbefall in Kröv, 2004
Foto: ©Matthias Porten, DLR Mosel


Rebstockzeile in Longen
Bild 4: Rückgangserscheinung durch Reblausbefall in Longen, 2004
Foto: ©Matthias Porten, DLR Mosel


Reblausbefall an Pfropfreben
Bild 5: Rückgangserscheinung durch Reblausbefall an Pfrofreben mit der Unterlagssorte 26 G
Foto: ©Matthias Porten, DLR Mosel
Die Schäden traten vor allem an wurzelechten Reben und Pfropfreben mit der Unterlagssorte 26G (Bild5), auf. Auch an der Saar (Wiltingen) traten die typischen herdförmigen Rückgangserscheinungen an Reben mit 26 G-Unterlage und wurzelechten Reben auf. Auch hier konnte starker Wurzelbefall festgestellt werden. Dort traten Symptome und starker Wurzelbefall sogar in einer Anlage mit der Unterlagssorte SO4 auf. Die Tatsache, dass auf dieser Unterlage aus der reblaustoleranten Berlandieri-Riparia-Gruppe (125A, 5C, 5BB, SO4 Binova) gepfropfte Reben, starke Rückgangserscheinungen zeigten, deutet auf einen sehr hohen Befallsdruck hin. Weiterhin wurde durch den zuständigen Reblaussachbearbeiter Walter Faber vom der DLR Mosel im Jahr 2004 durch zahlreiche Grabungen ein sehr hohe Befallsdichte im gesamten Weinbaugebiet Mosel-Saar-Ruwer festgestellt.



Bewertung


Es zeigt sich somit, dass das Schadenspotential durch die Reblaus, besonders bei wurzelechten Reben, oder anfälligen Unterlagen mit Europäeranteil (26G), sehr hoch ist. Jahrzehnte alte Rebanlagen zeigen plötzlich Befall und auch vor den moseltypischen Schieferböden macht die Reblaus offenbar nicht mehr halt. Die durchgeführten Erhebungen waren nicht systematisch angelegt, sondern beruhen auf Meldungen betroffener Winzer. Es ist davon auszugehen dass es noch deutlich mehr betroffene Anlagen und Gemarkungen gibt. Offenbar erschließt sich die Reblaus hier gerade neue Lebensräume, in die sie noch vor wenigen Jahrzehnten nicht vorgedrungen war.



Was ist zu tun?


Der durch Zerstörung der Hauptwurzeln bedingte Stockausfall, oder die im Vorfeld auftretenden starken Wuchsdepressionen, aufgrund der Vernichtung des größten Teils des Rebwurzelvolumens durch die Sekundärparasitisierung durch den Pilz, ist auch kaum mehr durch eine ordentliche Humuswirtschaft zu entgegnen. In der kurzen Zeit des Wurzelneuaufbaus, induziert durch erhöhten Humuseinsatz, kann kein ordentlicher Frischwurzelaufbau mehr erfolgen, wenn die verholzten Hauptwurzeln schon zu stark geschädigt sind. Daher sollten in den bekannten Reblausgemeinden unbedingt tolerante Unterlagsreben, oder am besten die resistenten Unterlagsreben Börner und evtl. Rici bzw. Cina, zur Anwendung kommen. Bei den Standardunterlagssorten der Berlandieri-Riparia-Gruppe (SO4, 5 C, 125 AA usw.), ist durch einen erhöhten Humuseinsatz (indirekte Bekämpfung) die Rückführung der Rückgangserscheinungen durch Reblausbefall möglich, falls keine zu starke Schädigung erfolgt ist.
In den bekannten Reblausgemeinden (siehe z.B. oben) sollte unbedingt eine erhöhte Humuswirtschaft angestrebt werden, damit auch den toleranten Unterlagsrebsorten die Möglichkeit gegeben wird, aufgrund einer besseren Wasserführung und damit einer besseren Nährstoffversorgung, ein höheres Frischwurzelwachstum zu gewährleisten.
Weiterhin sollte unbedingt in jeder Gemeinde darauf geachtet werden, dass jedwede Unterlagsausschläge, im oberirdischen Bereich, entfernt werden. Diese stellen ein hohes Gefährdungspotential dar, da die Reblausfliege besonders diese Unterlage sehr gerne anfliegt. Eine Induzierung der Blattgallen durch die Reblaus ist bei den Unterlagsausschlägen leichter möglich als bei unseren europäischen Edelreissorten. Diese weisen eine höhere Toleranz gegenüber der Blattreblaus auf.
Das Gefährdungspotential durch Unterlagsausschläge ist sehr hoch, da die Reblaus über weite Strecken hin “verdriftet” werden kann und im oberirdischen Bereich die einzige Möglichkeit der genetischen Neukombination, durch Paarung, vorhanden ist. Es liegt somit eine gute Verbreitungsmöglichkeit vor, mit der Gefahr einer Anpassung an veränderte Umweltbedingungen.
In diesen Zusammenhang sollte unbedingt das Hauptgefährdungspotenzial, nämlich die Drieschen mit einem sehr hohen Anteil von Unterlagsausschlägen beseitigt werden. Aber auch eine Mindestpflege der dabei entstehenden und vorhandenen Brachen ist erforderlich, um eine Verwilderung von Unterlagsreben zu verhindern. Damit könnte das größte Gefährdungspotenzial beseitigt werden.
Im Moment ist in den von der Schwarzfäule betroffenen Gebieten auf Kreis und Gemeindeebene eine gewisse Aufbruchstimmung in Sachen Drieschenbeseitigung zu erkennen. Es wäre wünschenswert wenn diese Situation dazu genutzt würde die verschiedenen Probleme, die der Strukturwandel im Weinbau mit sich bringt, als Ganzes anzugehen. Dabei müssen sich Pflanzenschützer, Landschaftsplaner, Interessenvertreter des Tourismus und Vertreter der Gemeinden und Kreise an einen Tisch setzten und definieren, wie vor Ort eine “Erhaltung der Kulturlandschaft” aussehen soll, wenn die Zahl der Ertragsanlagen im Weinbau stark zurückgeht. Vielerorts ist zu beobachten, wie ordnungsgemäß gerodete Weinberge, mit Unterlagsreben überwuchern, verbuschen und verwalden. In den angrenzenden Ertragsanlagen entsteht dabei ein neues Mikroklima durch Beschattung und schlechtere Durchlüftung, was auch pilzliche Schaderreger begünstigen kann. Hier sollten öffentliche Hand, Tourismus, Naturschutz und Weinbau gemeinsame Sache machen, denn unter Umständen haben sie sehr viele gemeinsame Interessen.



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