An den Klimawandel angepasste Obstgehölze

Viele Menschen spüren den rasanten Wandel des Klimas, und ganz besonders natürlich die Freizeit- und Hobbygärtner. Denn die sind ganz nah dran am Geschehen, sie sehen und spüren die Veränderungen jeden Tag. Heiße, trockene Sommer mit längeren Dürrephasen führen zum absterben und verwelken ganzer Pflanzen, ebenso wie wochenlange Regenfälle. Aufgrund der enormen Einstrahlungsenergie haben Sonnenbrandschäden an Strauchbeeren und Baumobst teilweise dramatisch zugenommen. Hagelschläge und regionale Gewitter mit Starkregen verstärken die Problematik, die Pflanzen werden anfälliger und gestresst. Damit nicht genug, verbreiten sich zusätzlich auch verstärkt wärmeliebende Insekten wie die Kirschessigfliege, die marmorierte Baumwanze, Maulbeerschildlaus oder rote Austernförmige Schildlaus hemmungslos aus. Und neben den neu zugewanderten Schädlingen sind die heimischen und altbekannten auch nicht gerade weniger geworden, man denke nur an den Apfelwickler, welcher jetzt mancherorts schon 3 Generationen ausbildet.
Also, was tun im Obstgarten?

Altbekanntes Wissen in Frage stellen!
Seit vielen Jahren hat sich eine eigene Beratungsempfehlung für den Garten entwickelt auf der Basis des wissenschaftlichen Fachwissens der Obstbau-Institute. Viele Empfehlungen zum Anbau und der Kulturführung wurden aus dem Erwerbsanbau übernommen wie die schwachwachsenden Unterlagen oder der Schnitt bei Kern-, Stein- und Beerenobst. Über die Jahre haben sich robuste, widerstandsfähige oder resistente Sorten etabliert, die auch im Garten mit ohne bzw. mit deutlich geringerem Pflanzenschutzaufwand funktionieren. Ein weiterer Schwerpunkt waren bisher alte, regionaltypische, gebietsheimische Sorten mit der besten Eignung und vielen Vorteilen für Boden, Standort und Klima!
Über Jahrzehnte wurde das so gehandhabt. Jetzt stellen wir fest: das funktioniert so nicht mehr! Wir müssen daher das althergebrachte Wissen und die daraus resultierenden Beratungsempfehlungen auf den Prüfstand stellen und neu ordnen.

Klimaangepasste Empfehlungen und Beratungsstrategie
Die bisherige Beratung und Sortenempfehlung für den Garten basierte auf den Anforderungen: Wenig anfällig, robust, widerstandsfähig, oder resistent. Dabei war es nur von untergeordneter Bedeutung, ob es sich um eine alte, gebietstypische, heimische Regionalsorte oder eine Neuzüchtung handelt. Diesen altbekannten Kriterienkatalog wird man jetzt erweitern müssen um den Aspekt „Klimatauglichkeit bzw. Klimaanpassung“.
Die spannende Frage wird sein: welche Arten/Sorten werden das sein? Sind es welche aus dem Bereich der bekannten, heimischen Obstgehölze? Müssen es nicht zwingend auch neue Arten und Sorten sein, die wir bisher nur den mediterranen Regionen kennen? Oder werden hier zukünftig noch ganz andere Pflanzen wachsen, aus gänzlich anderen Klimazonen wie Asien, Australien oder Afrika?
Der Klimawandel ist mittlerweile unbestritten und in der Gesellschaft angekommen. Über die Geschwindigkeit, die weitere Entwicklung und vor allem die Auswirkungen auf Pflanzen, Gärten und Menschen wird noch diskutiert.
Gleichwohl gibt es jetzt schon klare Empfehlungen für Klimawandelstrategien im Obstgarten!

Klimawandelstrategien für den Obstgarten
Obstarten und Sorten
1. Die bisherige grundsätzliche Empfehlung „wenig anfällig, Robust, widerstandsfähig, oder resistent" ist zu ergänzen durch "klimaangepast, trockenheitsverträglich, hitzeverträglich".
2. Alte, gebietstypische, heimische Regionalsorten: ja. Darüber hinaus müssen wir jetzt aber auch zwingend Erfahrungen sammeln mit Arten/Sorten aus anderen Regionen und Klimazonen Europas und der ganzen Welt! Viele der infrage kommenden Pflanzen stehen in den warmen Regionen ja schon in den Gärten:
wärmeliebende Pflanzen wie Feigen und Pfirsiche wachsen und fruchten mittlerweile auch außerhalb der klassischen Weinlagen. Ähnliches gilt für Granatapfel und Kakipflaume, beide sind bedingt winterhart. Zum Vergleich: Die essbare, weißblühende Mandel, einst Synonym für die warme, geschützte Weinbergslage, wird jetzt in den Niederlanden oder England kultiviert.
Schon seit einigen Jahren werden Selektionen von echtem Tee (Camelia sinensis), der Chinesischen Dattel Ziziphus jujuba, der Essbare Ölweide Elaeagnus multiflora der Oliven für das Freiland angeboten mit einer Frosthärte bis -15 ° C.
Das Angebot wird täglich größer, deshalb lautet die Devise: ausprobieren! Neben einer vorhandenen Frosthärte sollten die Pflanzen möglichst robust sein und möglichst ohne/mit ganz wenig Pflanzenschutzaufwand zu kultivieren sein. Darüber hinaus sollten Früchte/Samen einen ökologischen Nutzen für die Tierwelt haben.
Ganz sicher wird man mit der einen oder anderen Pflanze „Lehrgeld“ zahlen, sie wachsen oder fruchten nicht oder erfrieren. Sei`s drum, um diese Erfahrung ist man reicher. Und wir Gärtner haben ja den Vorteil, wir können jederzeit nachpflanzen!

3. Stärkere Unterlagen = weniger Trockenstress
Schwachwachsende Unterlagen haben sind mittlerweile Standard im Garten. Neben den obstbaulichen Vorteilen werden sie auch den immer kleiner werdenden Gärten gerecht. Je schwächer die Unterlage, desto größere die Anfälligkeit bei Stress, z. B. Trockensstress. Wo möglich, können stärker wachsende Unterlagen Trockenstress vermindern und die Vitalität fördern.

Sämlinge und Wildobst: robust und anspruchslos
Sämlinge wachsen langsam und wurzeln tief, sind also besser gewappnet gegen Trockenheit. So zeigten 100-jährige Rieslingreben an der Mosel auch in den Trockenjahren 2018-2020 keine Trockenschäden! Und es gibt ja auch noch reichlich größere Gärten und Flächen, die etwas mehr Struktur gut gebrauchen können. Große Bäume werfen große Schatten, ein Mega-Thema der Zukunft. Möglich werden dadurch völlig neue Gartenbilder: Dort, wo früher der monotone, pflegeaufwändige Rasen war, stehen jetzt großkronige Bäume, Sämlinge, Walnuss, Edelkastanie, essbare weißblühende Mandel, Wildapfel, Wildkirsche, Sträucher wie die Mispel, Kornelkirsche, Wildrosen, Felsenbirne und darunter, sozusagen im Parterre, können Strauchbeeren angebaut werden. .

4. Natürliche Beschattung der Früchte
Im Erwerbsobstbau ist es Usus, die Früchte hauptsächlich an der Peripherie der Krone zu platzieren, um einen hohen Lichtgenuss, eine gute Ausfärbung und möglichst viele wertgebende Inhaltstoffe der Früchte zu generieren. Durch den Sommerschnitt stellt man die Früchte zusätzlich noch sonnenexponiert und entfernt die umgebenden Blätter. In Zukunft muss sich der Schnitt im Garten ändern, die Früchte sollen wieder mehr unter dem schützenden Dach der Blätter heranwachsen. Dadurch ist die Gefahr von Sonnenbrand weitestgehend gebannt, auch vor leichten Hagelschlägen bietet das Blätterdach einen gewissen Schutz.

Fazit

Klimaangepasste, trockenheitsverträgliche, robuste, neue und alte, heimische und gerne gesehene Neuankömmlinge aus aller Welt – wenn sie sich hier problemlos integrieren und das Spektrum bereichern - braucht der Garten! Deshalb sollten wir uns mit diesen neuen Arten und Sorten vertraut machen und jetzt schon zum Ausprobieren in den eigenen Garten pflanzen. Nur so gewinnen wir die notwendigen Erfahrungen.


Gartenakademie@dlr.rlp.de     www.Gartenakademie.rlp.de