Qualitätssicherungssystem im rheinland-pfälzischen Obstanbau - Die AGIO stellt sich den neuen Anforderungen
Jochen Griebel
Arbeitsgemeinschaft Integrierter Obstanbau Rheinland-Pfalz e.V. (AGIO)
1. Einleitung
Die Qualität von Obst wurde bisher in erster Linie anhand von Parametern wie Fruchtfleischfestigkeit, Zucker- und Säuregehalt, Ausfärbung und Einstufung in Handelsklassen bestimmt. Integrierte Produktion wurde gewünscht, aber nicht vorausgesetzt. Nach der BSE-Ära hat die gläserne Produktion einen wesentlich höheren Stellenwert bekommen. Neben der umweltschonenden, kontrolliert Integrierten Produktion werden nun auch im Obstbau Qualitätssicherungssysteme aufgebaut. Das Europäische Handelsinstitut (EHI) ist bemüht, die EUREP-GAP Richtlinie international als verbindlichen Maßstab für die Produktion von Lebensmitteln einzuführen. Dabei steht GAP für die „Gute Agrarpraxis“ und definiert diese anhand eines 300 Punkte umfassenden Fragenkataloges, der in umfangreichen Checklisten mit hohem Aufwand zu kontrollieren ist. Der Berufstand des deutschen Obst und Gemüsebaus hat ein eigenständiges System zur Qualitätssicherung erarbeitet. Basis für die Einführung des berufsständischen Systems bildet der kontrolliert Integrierte Anbau von Obst und Gemüse in Deutschland. Insbesondere durch die Dokumentation der Produktionsprozesse in dem Betriebsheft ist die grundlegende Vorarbeit geleistet worden, die nun in die Entwicklung zu einem Qualitätssicherungssystem eingebracht wird. Aber auch der kontrolliert Integrierte Anbau ist in Hinblick auf den Verbraucherschutz konsequent weiter zu entwickeln. Die länderspezifische Kontrollrichtlinien sind zu vereinheitlichen. Es müssen für alle Erzeuger die gleichen Bedingungen zu Grunde gelegt werden. Diese Bedingungen werden kontrolliert, hier sind neutrale und unabhängige Kontrollwege aufzubauen, die den hohen Anforderungen des Verbraucherschutzes genügen.
2. Entwicklung der kontrollierten Integrierten Produktion in Rheinland-Pfalz
Mit der Gründung der Arbeitsgemeinschaft Integrierter Obstanbau Rheinland-Pfalz e.V. (AGIO) im Jahr 1990 wurde der Grundstein für eine nachhaltige, umweltschonende Produktion nach den Anforderungen des Integrierten Anbaus gelegt. Die freiwilligen Mehrleistungen der Obstbauproduzenten, die sich freiwillig kontrollieren lassen, tragen maßgeblich zu dem sehr guten Image des deutschen Obstbaus bei. Die erhoffte Honorierung am Markt blieb und bleibt allerdings aus, höhere Erlöse für die mit Mehraufwand produzierte Ware wurden nicht erzielt.
Der kontrolliert Integrierte Obstanbau wird auf über 80% der gesamten rheinland-pfälzischen Obstbaufläche praktiziert. Dieser hohe Anteil stellt die Basis für die Einführung des Qualitätssicherungssystem.
Die AGIO und der Centralmarkt Rheinland haben im Jahr 2001 ein Pilotprojekt vereinbart, um zukünftig unabhängige Kontrollen im Integrierten Anbau einzuführen. Die AGRAR Control GmbH (ACG) wird im Jahr 2002 für die AGIO die unabhängige Kontrolle der Produktionsweise der Anlieferer des Centralmarktes Rheinland nach der DIN EN 45011 durchführen. Damit wird innerhalb der AGIO eine strikte Trennung zwischen Beratung und Betreuung der Betriebe einerseits und der Kontrolle anderseits gewährleistet.
Der Centralmarkt erhält seine Ware von Betrieben, die durch ein neutrales Kontrollorgan zertifiziert werden. Das Pilotprojekt wird für die AGIO grundlegende Erfahrungen auf dem Weg zur Qualitätssicherung bringen.
3. Welche Auswirkung hat die Weiterentwicklung des kontrolliert Integrierten Anbaus zu einem Qualitätssicherungssystems für den Betrieb?
Der umweltschonende, kontrolliert Integrierte Anbau von Obst arbeitet nach Richtlinien, die zukunftsweisend auch Bestandteil in einem Qualitätssicherungssystem sind. Ergänzt wird dieser hohe Standard durch gesetzliche Anforderungen und Verordnungen (bspw. Pflanzenschutzgesetz, Vorgaben der Gartenbau-Berufsgenossenschaft, Hygieneverordnung, Düngeverordnung oder Gefahrstoffverordnung). Diese Ergänzungen sind Bestandteil der neutralen Betriebsprüfung. Jeder Betrieb mit guten Willen kann diese Kriterien bei einem vertretbaren Mehraufwand erfüllen.
Folgende Anforderungen sind in dem QSS zusätzlich zu berücksichtigen
· Pflanzenschutzmittellagerung und -einsatz
Eine feuerbeständige Abtrennung der Räume muss gegeben sein. Entweder ist der Boden mit baurechtlich zugelassene Beschichtungsmitteln versehen oder es wird die Lagerung in einer Auffangwanne gewährleistet. Die gelagerten Präparate sind in einem Gefahrstoffverzeichnis aufzuführen. Wiegevorrichtung und Schutzkleidung müssen vorhanden sein. Der Anwender verfügt über den Sachkundenachweis. Die ordnungsgemäße Entsorgung der PSM-Verpackungen ist zum Beispiel über das PAMIRA System nachzuweisen.
· Düngemittel und Düngung
Eine trockene Lagerung von Düngemitteln ist sicherzustellen. Kurzfristig kann gesackte Ware mit zusätzlicher Abdeckung im Freien gelagert werden. Nach Vorgaben der Düngeverordnung ist eine Nährstoffbilanz zu erstellen.
· Hygieneanforderungen
Der Betriebsleiter und das Personal wird in Fragen der Hygiene sensibilisiert. Eine betriebliche Hygienecheckliste ist auszuhängen. Die Verpackungsmaterialien müssen trocken und hygienisch unbedenklich gelagert werden.
· Dokumentation
Die Dokumentation im Integrierten Anbau entspricht bereits den Anforderungen an eine transparente und gläserne Produktion. Alle durchgeführten Pflanzenschutz- oder Düngungsmaßnahmen sind Bestandteil des Betriebsheftes. Zusätzlich sind Fremdleistungen (Zukauf von Waren und Dienstleistungen) anhand einer Wareneingangscheckliste zu dokumentieren.
· Fortbildung
Neben den Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen ist der Bezug mindestens einer Fachzeitschrift des Gartenbaus nachzuweisen.
· Rückstandsanalysen werden in erhöhter Anzahl durchgeführt. Insbesondere vor dem Hintergrund des unerlaubten Einsatzes von PSM ist die Absicherung weiter zu entwickeln.
· Kontrollen
Eine statistische 100%ige neutrale Kontrolle der Betriebe pro Jahr wird in Form von Produktkontrollen hinsichtlich Pflanzenschutzmittelrückstände und/oder Betriebskontrollen durch eine nach DIN EN 45011 akkreditierte Kontrolleinrichtung gewährleistet.
4. Welche Auswirkung hat die Weiterentwicklung des kontrolliert Integrierten Anbaus zu einem Qualitätssicherungssystems für die AGIO?
Die AGIO stellt sich den neuen Anforderungen und steht den Obstbaubetrieben auch zukünftig als Dienstleister in dem Qualitätssicherungssystem zur Verfügung. Die Richtlinie für den kontrolliert Integrierten Anbau wird um die Zusatzanforderungen des QSS ergänzt, als Grundlage für die Beratung und Betreuung der Betriebe. Basierend auf dem Pilotprojekt mit dem Centralmarkt Rheinland wird die AGIO koordinierend in Zusammenarbeit mit der ACG die akkreditierten Vor-Ort Kontrollen ausweiten. Dies beinhaltet auch die Entnahme der erforderlichen Fruchtproben bei den Betrieben. Analytisch wird hier die LUFA Speyer eingebunden, die Rückstandsanalysen nach der DFG S 19 durchführt. Die LUFA Speyer ist nach der DIN 45001 zugelassen.
Durch die enge und kooperative Zusammenarbeit mit den rheinland-pfälzischen Märkten, die sich für die Einführung des QSS ausgesprochen haben, kann das QSS umgesetzt werden.

Begleitend zur Umsetzung des QSS wird für die Betriebe ein PC-Programm für die Dokumentation in Zusammenarbeit mit der Firma Dammertz&Krudewig und der SLVA Oppenheim, Sachgebiet Obstbau, erarbeitet. Das elektronische Betriebsheft berücksichtigt alle Anforderungen an die kontrolliert Integrierte Produktion und auch des QSS. Das Programm ermöglicht den Betrieben die anlagenspezifischen Informationen abzulegen und jederzeit auch anlagenspezifisch auszudrucken. Die Gesamtinformation wird als Betriebsheft ausgegeben und bildet die Grundlage für die Betriebskontrolle. TAGIO (Tagebuch Integrierter Obstanbau) wird bundesweit für alle Obstbaubetriebe erhältlich sein.
5. Ausblick
Unter Nutzung der Gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse der EU (GMO) kann der finanzielle Mehraufwand, der u.a. durch die erhöhte Anzahl an Rückstandsanalysen und der Kontrollen entsteht, über die Vermarktungsorganisationen finanziert werden. Durch die Einbindung berufsständischer Organisationen (AGIO, ACG) kann der finanzielle Mehraufwand im Vorfeld minimiert werden.
Durch die enge Einbindung von Berufsstand und Vermarktungsorganisationen wird die Etablierung des Qualitätssicherungssystems vereinfacht. Damit haben die beteiligten Organisationen in Rheinland-Pfalz grundlegende Vorarbeiten in Verantwortung für sichere Obstprodukte geleistet. Die Vermarktungsorganisationen mit ihren Obstproduzenten stehen jetzt in der Pflicht, das Qualitätssicherungssystem in die Praxis einzuführen, im Sinne einer transparenten Produktion und einer gesicherten Vermarktung.